LEBENS-SITUATION:     ERLEBEN DES ALTERNS  und  LEBEN IM ALTER

. . . und dennoch leuchten sie und bergen in sich die Süße des Lebens !


Im Alter verstärken sich oft Wahrnehmungen, Empfindungen und Sichtweisen bzw. Bewertungen des eigenen  Lebens:


AUF DIESE WEISE?


  • Liebe und stärkende Erinnerung an Menschen
  • das Leben in der Fülle
  • Lebenserfahrung als Hilfe im Alter
  • Wandel von weniger Körperlichkeit zu mehr Geistigkeit
  • Spiritualität in der Nähe zum "gesegneten Zeitlichen"
  • Wertschätzung, sich von anderen "für voll genommen" fühlen
  • in die Gesellschaft und das Leben anderer integriert sein
  • sich in gewandelter Form gebraucht fühlen
  • eine Lebenslüge und ein "sich-etwas-schön-Reden" aufgeben - und doch nicht den Halt verlieren
  • im HIER UND JETZT sein

 

ODER EHER SO?


  • vom Leben abgeschnitten und ausgeschlossen
  • Verlust von sozialem Umfeld, Bekannten und Freunden
  • Alleinsein, Verlassenheitsgefühl, depressive Zustände
  • keine innere Verbindung (zu sich selbst, zu Spiritualität)


  • Versäumtes, Ungelöstes und Unerlöstes belastet
  • Vergangensheitsschmerz und Zukunftsängste
  • Konflikte berühren ungelöste alte und schaffen neue Verletzungen (die "dünne Haut")


  • Misstrauen gegenüber Menschen, negative menschliche Erfahrungen
  • Unverständnis und Ablehnung durch die eigenen Kinder


  • Den eigenen Körperlichen Verfall nicht annehmen wollen und leugnen
  • Scham vor nötigen Maßnahmen infolge körperlichen Kontrollverlusts (z.B. Inkontinenz)
  •  Wenn ich nicht mehr geistig oder körperlich fit bin, dann bin ich auch nichts mehr wert
  • Gefühl von gedemütigt sein und von nicht wertgeschätzt sein und missachtet zu werden
  • Verlust der Selbstständigkeit, die Abhängigkeit von anderen ängstigt und quält
  • Altersdemenzerscheinungen werden als Versagen und Beschämung erlebt


  • keine Hilfe annehmen können
  • kein Geld oder Leistungen "vom Staat" annehmen wollen (Pflegegrad, Pflege, Betreuung)
  • Illusionen über den eigenen Gesundheitszustand und Situation ("ich schaffe alles alleine")
  • Moralkodex aus dem Gefühl, nur auf diese Weise ehrenhaft und authentisch sein zu können
  • Mutlosigkeit, Ungeklärtes anzusehen und alte Verletzungen aufzuarbeiten


 . . . mit folgenden Auswirkungen:


  • Ängste um Gesundheit, Ambivalenz zu Ärzten und Medikamenten
  • starke Schlafstörungen, Panikattacken in der Nacht 
  • Leiden an schmerzlicher Diskrepanz von innerer Jugend und äußerem Alter.
  • Sehnsucht nach dem Ende des Lebens (als Flucht)

Gustav Mahler hat in seinem Spätwerk "Das Lied von der Erde" im zweiten Satz ergreifend den Zustand von Alter und Einsamkeit vertont. Das in der Übersetzung von Hans Bethke verwendete Gedicht von Quian Qi  ist nun bereits 1250 Jahre alt. Es könnte jedoch genauso von heute stammen, da der Mensch bezüglich der Jahreszeiten, der Natur und vielfältigen Symbolen von Nähe und Einsamkeit, von Licht und Tod die in Resonanz aufsteigende Empfindungen mit denen des eigenen inneren Zustands zu allen Zeiten als existenziell verbunden und somit ihn äußerst bewegend erlebt hat und erlebt. Und in dieser Resonanz wird auch tatsächlich seine Lebensenergie beeinflusst.

DER EINSAME IM HERBST   (Titel von Gustav Mahler)


Herbstnebel wallen bläulich überm See;
vom Reif bezogen stehen alle Gräser;
man meint, ein Künstler habe Staub von Jade
über die feinen Blüten ausgestreut.
 
Der süße Duft der Blumen ist verflogen;
ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.
Bald werden die verwelkten, goldnen Blätter
der Lotosblüten auf dem Wasser ziehn.
 
Mein Herz ist müde. Meine kleine Lampe
erlosch mit Knistern, es gemahnt mich an den Schlaf.
Ich komm zu dir, traute Ruhestätte!
Ja, gib mir Ruh, ich hab Erquickung not!
 
Ich weine viel in meinen Einsamkeiten.
Der Herbst in meinem Herzen währt zu lange.
Sonne der Liebe, willst du nie mehr scheinen.
Um meine bittern Tränen mild aufzutrocknen?

 

Qian Qi [710–782] - Übersetzung Hans Bethke


Wie finde ich Verbindung zum inneren Reichtum meines gelebten Lebens, zur Freude am Dasein und zu Erlösung?


In meiner wegbegleitende Arbeit mit älteren Menschen gibt es zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen:


  • Wenn Sie mental vollständig erreichbar sind - und davon gehe ich aus wenn Sie Internet nutzen und jetzt gerade BEFREITE SEELE lesen -, dann ist diese Arbeit wie mit jeglichem Hilfesuchenden. Ein Schwerpunkt wird wahrscheinlich das Ansehen ihrer Sozialisation sein, also mit welchen Vorstellungen Sie erzogen wurden, wem und was Sie sich im Leben  (freiwillig oder unter Druck) gebeugt haben. Auch Ihre Lebenswünsche in jüngeren Jahren und heute erfahren Betrachtung und neue Bewertung - in deren bisherigen Umsetzung und den Möglichkeiten des weiteren Lebens. Ihre Ehe, die Familie und ganz besonders ihre Kinder werden im Ansehen wichtig sein.


  • Wenn Sie altersbedingt oder durch Krankheit stark eingeschränkt sind, dann wird diese Zeilen eher ein Angehöriger von Ihnen lesen. In diesem Fall biete ich einen intuitiven und Seelisches, Körperliches und Synergien nutzenden Weg an. Bei diesem Konzept wird es früher oder später hilfreich sein, wenn nahe Angehörige oder eine von der Betroffenen als "problematisch" empfundene Person auch einmalig oder mehrmals mit zu der Begegnung kommt. Es dreht sich dabei aber nicht um ein psychologisches Aufarbeiten, sondern um ein ganz unverstelltes Ansehen des HIER UND JETZT. Das kann durchaus eine Herausforderung bedeuten - nicht nur für die Seniorin.


Vor 450 Jahren hat Teresa von Avila ihr Gebet des älter werdenden Menschen aufgezeichnet. Nichts hat sich seit dieser Zeit an den in diesem Gebet beschriebenen menschlichen Verhaltensweisen in zunehmendem Alter geändert. Das Gebet hat nicht den Prozess des Alterns oder das Alter als Gegenstand der Bitte. Beides an-erkennt Teresa von Avila so wie es ist.  Die Bitte besteht in einen weisen eigenen Umgang mit dem Altern - den Menschen des eigenen sozialen Umfelds und besonders der nachfolgenden Generation zuliebe. Geschrieben mit großer Klarheit im Blick auf sich selbst (quasi das "Gefahrenpotenzial"), Gelassenheit und auch Humor - und somit mit großer Weisheit ...

Gebet des älter werdenden Menschen


O Gott, Du weißt besser als ich, daß ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.

Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.

Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst, o Gott, daß ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.

Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu - und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir die Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.

Lehre mich die wunderbare Weisheit, daß ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.

Ich möchte kein Heiliger sein – mit Ihnen lebt es sich so schwer -, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.

Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken,

und verleihe mir, o Gott, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.


Teresa von Avila (1515 – 1582)


Durch die Auseinandersetzung mit meiner nun 101-jährigen Mutter und mein Nachspüren und Reflektieren bezüglich ihres Zustands und begleitenden Erfahrungen mit Senioren bin ich mit den Themen "Altern und Alter" auch selbst stark involviert . . .

Gustav Mahler: Das Lied von der Erde

- Nr.2 "Der Einsame im Herbst"

Kathleen Ferrier (Mezzo-Sopran)

Bruno Walter / Wiener Philharmoniker

Mai 1952 (CD: Decca - EAN 028946657621)

Share by: